Die Göttin Vesta, die mit verschleiertem Haar auf der Vorderseite dieses Denars des Münzmeisters L. Cassius Longinus dargestellt ist, war als Hüterin des Herdfeuers von großer Bedeutung für die Stadt Rom. Die in alten Zeiten überlebenswichtige Aufgabe, im privaten Haushalt ein Wärme und Nahrung spendendes Feuer am Leben zu halten, wurde mit dieser Gottheit auf das römische Gemeinwesen übertragen und im Tempel der Vesta auf dem Forum als heiligste Handlung praktiziert, von deren Einhaltung durch jungfräuliche Priesterinnen das Wohl des Staates abhing.
Kein Wunder also, dass das Volk von Rom unerbittlich darauf reagierte, wenn gegen die Kultregeln verstoßen wurde. Im Jahr 113 v. Chr. musste ein Sondergericht einberufen werden, um einen nach der öffentlichen Meinung zu milde geführten Prozess gegen drei abtrünnige Vestalinnen zu wiederholen. Als Richter wurde der für seine Strenge bekannte L. Cassius Longinus Ravilla, Urgroßvater des Münzmeisters, vorgeschlagen und gewählt. Diese Abstimmung zeigt wahrscheinlich die Münzrückseite mit der Darstellung eines römischen Bürgers in einer Toga, der in einen Weidenkorb ein Täfelchen wirft, auf dem V(ti rogas), „wie du vorschlägst“, vermerkt ist. Der alte Cassius verurteilte die Frauen zum Tode, sein Urenkel münzte dessen Staatstreue und vor allem das Vertrauen, das die Bevölkerung ihm entgegenbrachte, in Werbung für sich und seine gens um.
[Sonja Kitzberger]
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