Die schockierende Darstellung einer hässlichen alten Frau, die gierig in ein abgetrenntes Menschenbein beißt, gehört zu den erfolgreichsten Erfindungen des Bildhauers Leonhard Kern. Seine Menschenfresserinnen waren Bestseller. Gleichwohl ist es bis heute nicht gelungen, das Thema der Darstellung eindeutig zu bestimmen. Die Figur wird gedeutet als Erdmutter Gaea, der Geiz oder eine Allegorie der Hungersnot. Vielleicht erinnerte die Darstellung auch an die Grauen des Dreißigjährigen Krieges oder die Menschenfresserin war als Gegenbild zu den tugendhaften Heroen in der Hofkunst konzipiert, mit denen die absolutistischen Herrscher in der gängigen Ikonographie verglichen wurden.
Für die Deutung der Figur als Menschenfresserin spricht, dass in zwei Stuttgarter Kunstkammer Inventaren (1693 und um 1750) eine ikonographisch ganz eng verwandte mit dieser Bezeichnung aufgeführt ist. Eine gleichfalls von Kern stammende Skulptur der Landesmuseums ist aus Holz gearbeitet.
[Fritz Fischer]