Das klassische Motiv des „Herkules am Scheideweg“ verkörpert die Spannung zwischen Tugend und Laster. Der Halbgott muss über seinen Lebensweg entscheiden, indem zwei Frauen um ihn werben: Zu seiner Rechten steht die züchtige, hier in Gestalt der Kriegsgöttin Minerva erscheinende Tugend, auf der untergeordneten linken Seite das Laster. Anders als auf seinem Vorbild, das Annibale Carracci ein Jahrhundert zuvor für Kardinal Odoardo Farnese geschaffen hat, hat Herkules sein linkes Bein auf den Stein gestellt. So schaut er zwar auf die Verführerin, die mit keinem sinnlichen Reiz geizt, verfällt ihr aber nicht, da ihn seine Körperhaltung wie eine Barriere schützt.
Dieses Gemälde stammt aus dem repräsentativen Audienz- und Paradeschlafzimmer, das Herzog Eberhard Ludwig (reg. 1693–1733) neu einrichten ließ. Es lag im zweiten Obergeschoss des Alten Schlosses, im Ostturm, dem heute das Neue Schloss gegenüberliegt. Hierfür schuf der Basler Maler Johann Rudolf Huber 1699/1700 auch die Deckengemälde, die wie die restliche Ausstattung beim Schlossbrand 1931 zerstört worden sind. An der Decke thronte Göttervater Jupiter, acht ovale Gemälde in den umlaufenden Fensterlaibungen aber bezogen sich auf Herkules – und damit vermutlich auf den jungen Herzog selbst. Sie hingen in erreichbarer Höhe und konnten so noch vor dem Verbrennen gerettet werden. [Almut Pollmer-Schmidt]