"Keinen oder einen schlechten Hintern haben ist immer ein ästhetisches Unglück." Mit diesen Worten eröffnet der schwäbische Ästhetiker Friedrich Theodor Vischer 1878 eines seiner Traktate über zeitgenössische Modeerscheinungen. In diesem Fall war es der "Cul de Paris", auch "Pariser Hintern"
oder "Turnüre" genannt, dem sein Spott galt. Erreicht wurde die in der Zeit des Historismus in der Damenmode übliche Silhouette - mit der starken Betonung des Gesäßes - durch unter den Kleidern getragene Polster und Gestelle. Da sie leicht und luftdurchlässig war, und zudem elastisch, zählt die hier vorgestellte Gesäßauflage zu den mit Patenten geschützten Gesundheitsturnüren. Das uns heute eher skulptural anmutende Gebilde vermittelt nicht nur eine Vorstellung von den Schönheitsidealen der Zeit, es wirft auch - gerade im Zeitalter von "Bodyshaping" - Fragen auf nach dem Körpergefühl, nach dem jeweiligen Verhältnis von Drunter und Drüber, von Sein und Schein, von Moral und Unmoral.
[Rainer Y]