Solch eine Pilgerampulle, die im 6./7. Jahrhundert in Palästina hergestellt wurde, galt dem Andenken an die Wallfahrt zu den bedeutenden christlichen Stätten des Heiligen Landes. Allein schon aufgrund ihrer Herkunft sagte man ihr besondere Kräfte nach. Durch einen Eingusstrichter konnten Flüssigkeiten aus der Pilgerstätte in die kleine Ampulle gegossen werden. Dank eines Lederbands konnte man sie bei sich tragen.
Das Fläschchen besteht aus zwei flachen Schalen, die mit Reliefs geschmückt sind. Dargestellt sind bekannte christliche Themen, teilweise mit bildlichen Ortshinweisen auf die mit den Ereignissen verbundenen Pilgerstätten in Jerusalem.
Auf der Hauptseite sieht man die Himmelfahrt Christi: Christus befindet sich im oberen Abschnitt mittig in der Mandorla, die von zwei Engeln getragen wird. Unter ihm steht Maria, umgeben von den 12 Aposteln. Das Bild wird durch eine Umschrift in griechischen Buchstaben eingerahmt: + ΕΜΜΑΝΟΥΗΛ ΜΕΘΗΜω Ν Ο ΘΕωC („Emmanuel, Gott ist mit uns“).
Auf der Rückseite ist die Kreuzigung Christi auf dem Berg Golgatha zu sehen, darunter ist das Grab Christi dargestellt. Die Giebelarchitektur dokumentiert den Zustand des Heiligen Grabes im 6./7. Jahrhundert.
Die Ampulle wurde gemeinsam mit einem zweiten vergleichbaren Objekt im Jahr 1980 im deutschen Kunsthandel erworben. Nach Angaben des einstigen Verkäufers stammten beide Objekte aus Ägypten. Wo und bis wann sie sich dort befanden, ist nicht bekannt. Da sich vergleichbare Ampullen insbesondere in Kirchenschätzen erhalten haben, scheint auch für diese beiden Objekte eine entsprechende Herkunft wahrscheinlich. Möglicherweise wurden sie von christlichen Pilgern an eine Kirche im heutigen Ägypten gestiftet. Wie sie aus einem solchen Kirchenschatz in den Kunsthandel gelangt sind, muss allerdings derzeit offenbleiben.
Ägypten war von 1517 bis 1798 und von 1801 bis 1914 Teil des Osmanischen Reichs. Von 1798 bis 1801 stand es unter französischer Kolonialherrschaft und von 1914 bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahr 1922 unter der Kolonialherrschaft Großbritanniens.
Die Erforschung des kolonialen Kontextes dieses Objekts erfolgte im Rahmen des Projekts „Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten – ein Erstcheck“, das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) gefördert wurde.
[Ingrid-Sibylle Hoffmann]