Der Bildhauer Leonhard Kern zitiert mit dieser Statuette berühmte römische Kunstwerke, die antike Statue des Torso vom Belvedere und Michelangelos Ignudi von der Sixtinischen Decke. Durch diesen Bezug demonstriert Kern, der ausschließlich für anspruchsvolle Kunstliebhaber tätig war, seinen Bildungshorizont und - in der eigenständigen Umsetzung der Vorbilder - seine künstlerische Souveränität. Den Sammlern des 17. Jahrhunderts war sicher bewusst, was der auf einem Kubus sitzende nackte Mann mit den Münzen in der Hand darstellen sollte. Dieses Wissen ist verloren gegangen, daher haben die Kunsthistoriker des 20. Jahrhunderts ihm die Bezeichnung "Geldzähler" gegeben - obwohl es sich bei dem Akt sicher nicht um eine Genrefigur handelt.
Der Künstlerbiograph Joachim von Sandrart (1606-1688) nennt keine Bronzen im Werk des Künstlers. Ob Kern dennoch Bronzefiguren entworfen hat, ist ungewiss. Möglicherweise hat er seine begehrten Elfenbein- und Buchsbaumfiguren, die aber nicht einfach reproduzierbar waren, in Nürnberg nachgießen lassen. Die Figur des Geldzählers wurde mindestens in zwei Exemplaren (das zweite befindet sich in einer Bremer Privatsammlung) in Bronze gefertigt. Ein mögliches "Original" nach dem sie gegossen worden sein könnten, hat sich nicht erhalten.
[Fritz Fischer]