"Wir hatten ja niemanden erwartet. Und plötzlich hör’ ich: Bobo!" Ein Freund der Familie S., dessen Gesicht auf dem Foto hinter freudigen Armen verschwindet, war am 20. Juni 1981 eigens aus Hamburg angereist, um sie am Frankfurter Flughafen zu empfangen. Familie S. hatte einen noch längeren Weg hinter sich. Sie waren von Siebenbürgen in Rumänien nach Deutschland ausgewandert. Bereits seit 1974 hatten sie versucht die Genehmigung dafür zu bekommen. Herr und Frau S. waren in das Visier der rumänischen Geheimpolizei geraten, weil sie eine "Mischehe" führten: Er, auch Bobo genannt, war Rumäne. Sie allerdings Siebenbürger Sächsin. Das heißt, sie gehört einer seit Mitte des 12. Jahrhunderts in Siebenbürgen angesiedelten deutschstämmigen Minderheit an. Frau S. hatte allerdings, so wie alle in Rumänien lebenden Siebenbürger Sachsen, ebenfalls die rumänische Staatsangehörigkeit. Als das Ehepaar S. sowie ein weiteres "gemischtes" Ehepaar nicht an einer Reise mit Arbeitskollegen in die Tschechoslowakei teilnehmen durfte, entschlossen sie sich dazu auszuwandern, um sich und vor allem ihre knapp einjährige Tochter vor weiteren Schikanen zu schützen. Nach mehreren gescheiterten Versuchen war es 1981 endlich soweit. Die Familie zog nach Renningen im Landkreis Böblingen, wo Frau S. Arbeit als Ingenieurin fand. Davor hatten sie einige Monate lang in Stuttgart-Asemwald gewohnt - ihre erste längere Station in Deutschland.