Die Kunstkammer der Herzöge von Württemberg gehört mit mehr als 3.000 erhaltenen Objekten zu den bedeutendsten historischen Kunstkammern Europas und zeichnet sich durch eine besonders dichte Überlieferung aus. Erstmals wird die Kunstkammer in der Regierungszeit Herzog Friedrichs I. (1593-1608) erwähnt. Bis heute zählt sie zu den wichtigsten Kernbeständen des Landesmuseums und ist das Herzstück des Hauses.
Neben kostbaren kunsthandwerklichen Arbeiten aus seltenen Materialien umfasst die Sammlung Exotica, die aus fernen Ländern nach Europa importiert wurden, und eine Fülle an kuriosen Dingen, ausgestopften Tieren, magischen Gegenständen, Bronzen, Uhren, Miniaturen, Modellen von Arbeitsgeräten und vieles mehr. In dieser Vielfalt stellt die Kunstkammer eine Enzyklopädie von Objekten dar, in der alle Bereiche der Welt, von Menschen Geschaffenes ebenso wie Zeugnisse der Natur, vertreten sein sollten.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte 2012 bis 2015 das Projekt zur Erforschung von Bestand, Geschichte und Kontext der württembergischen Kunstkammer, dessen Forschungsergebnisse in einer mehrteiligen Buchpublikation sowie hier online der Öffentlichkeit und der Wissenschaft zugänglich gemacht werden.
Kunstkammer der Herzöge von Württemberg
Zu den ganz wenigen mittelalterlichen Münzen in der Neuenstädter Sammlung zählen fünf Pfennige von Kaiser Ludwig dem Frommen. Darunter ist diese Münze aus der Prägestätte Melle im Département Deux-Sèvres in der Region Poitou-Charentes. Die Vorderseite nennt Namen des Münzherrn: HLVDOVVICVS IMP(erator), die Rückseite den Prägeort: METALLVM. [Matthias Ohm]
In der Rubrik „NUMMI GOTHICI, ARABICI, SIRIACI, TURCICI, MOSCOVITICI“ listet das Cimeliarchium, der Katalog der Neuenstädter Sammlung, eine Moskowiter Silbermünze in Dreieckform auf: „Nummus Moscoviticus formâ triangulari“. Bei diesem Stück handelt es sich um einen Viertelrubel von Alexei I., dem zweiten Zaren aus der Dynastie Romanow. Während der Auseinandersetzungen mit Polen und Schweden geriet die Produktion von heimischen Silbermünzen ins Stocken. Daher stellte das Zarenreich 1654/55 Viertel-Rubel-Stücke aus ausländischen Talern her, die abgeschliffen, in vier Teile gehauen und dann geprägt wurden. Die Münze zeigt auf der Vorderseite den nach rechts reitenden Zaren mit Krone und geschultertem Zepter. Die Rückseite trägt eine sechszeilige Inschrift, die Namen und Titel des Prägeherrn nennt (übersetzt: Zar und Großfürst Aleksej Michailowitsch von ganz Russland). [Matthias Ohm]
Im Holländischen Krieg von 1672 bis 1678 standen die Niederlande einer Allianz aus Frankreich, England, Schweden sowie den Fürstbistümern Lüttich und Münster gegenüber. Im ersten Kriegsjahr belagerte Christoph Bernhard von Galen, der Fürstbischof von Münster, vergeblich die Stadt Groningen. Aus der Zeit der Belagerung stammt diese einseitige Klippe, eine Notgeld-Münze im Wert von 12½ Stübern. [Matthias Ohm]
In der Mitte des 17. Jahrhunderts gab die Stadt Basel eine Neujahrsmedaille aus. Auf deren Vorderseite steht in einem Lorbeerkranz der Wunsch „Ein New Glückselig Jahr“, darunter finden sich zwischen zwei Rosetten das Basler Wappens. Die Rückseite zeigt einen Pelikan, der seine Jungen im Nest füttert. [Matthias Ohm]
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gaben die Vettern Wolfgang und Joachim zu Oettingen gemeinsam Münzen aus, darunter auch halbe und ganze Batzen. Sie zeigen auf der Vorderseite die beiden oettingischen Wappenschilde und auf der Rückseite den heiligen Sebastian. Die Herzöge von Neuenstadt besaßen einen Halbbatzen von 1515 und einen ganzen Batzen von 1516. [Matthias Ohm]
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gaben die Vettern Wolfgang und Joachim zu Oettingen gemeinsam Münzen aus, darunter auch halbe und ganze Batzen. Sie zeigen auf der Vorderseite die beiden oettingischen Wappenschilde und auf der Rückseite den heiligen Sebastian. Die Herzöge von Neuenstadt besaßen einen Halbbatzen von 1515 und einen ganzen Batzen von 1516. [Matthias Ohm]
König Christian IV. von Dänemark und Norwegen ließ um 1619 spezielle Münzen prägen, um den Handel mit Russland zu erleichtern. Diese sollten nach Vorbild der russischen Tropf-Kopeken gefertigt werden. Münzmeister Johann Post prägte eine Münze, die auf der Vorderseite den Heiligen Georg als Reiter mit Lanze und im vollen Galopp zeigt. Auf der Rückseite steht die Inschrift: VON G: GNADEN CHRISTIAN IIII KÖNIG IN DENNEMARKEN. Auf dem erhaltenen Exemplar der Neuenstädter Sammlung ist die Inschrift nicht vollständig zu lesen. [Lilian Groß]
Auf den Tod des Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha-Altenburg im Jahr 1675 wurden zwei verschieden gestaltete Münzen als Gedenken ausgegeben. Die hier vorliegende Variante wurde von Stempelschneider Martin Müller in Zellerfeld gefertigt und zeigt Ernst den Frommen im Brustbild nach rechts. Er trägt einen Harnisch und einen um die Schultern drapierten Mantel. Die Umschrift gibt seinen Namen und Titel wieder. Auf der Rückseite sind seine Lebensdaten angegeben. In der Neuenstädter Sammlung hat sich ein ähnlich gestalteter Groschen und ein Taler erhalten. [Lilian Groß]
Himmel und Erde, repräsentiert durch dieses aus den Niederlanden stammende Globen-paar, bildeten das Grundgerüst des in der württembergischen Kunstkammer präsentierten Kosmos. Der Himmelsglobus zeigt die – nach Helligkeitsklassen unterschiedenen – Sterngruppen und Planeten, während der Erdglobus die um 1640 bekannte, irdische Welt abbildet. Die Exemplare der Amsterdamer Werkstatt Blaeu waren von hoher Qualität, da sie auf den jeweils neuesten Erkenntnissen beruhten, und deshalb sehr nachgefragt. Bei diesem Objekt handelt es sich um den Erdglobus. [Irmgard Müsch]
Himmel und Erde, repräsentiert durch dieses aus den Niederlanden stammende Globenpaar, bildeten das Grundgerüst des in der württembergischen Kunstkammer präsentierten Kosmos. Der Himmelsglobus zeigt die – nach Helligkeitsklassen unterschiedenen – Sterngruppen und Planeten, während der Erdglobus die um 1640 bekannte, irdische Welt abbildet. Die Exemplare der Amsterdamer Werkstatt Blaeu waren von hoher Qualität, da sie auf den jeweils neuesten Erkenntnissen beruhten, und deshalb sehr nachgefragt. Bei diesem Objekt handelt es sich um den Himmelsglobus. [Irmgard Müsch]
Hebt man den von außen marmorierten Deckel der Feuerlöschspritze ab, so kommt die Doppelkolbenpumpe zum Vorschein. Sie ist an das Schwungrad angeschlossen, wenn man dies dreht, saugt die Pumpe Wasser an. Wasser muss zuerst eingefüllt sein, direkt in den Kasten selbst. Es spritzt aus dem Strahlrohr, das verstellbar und beweglich ist. Die Vorführung dieses Modells dürfte sichtlich Spaß gemacht haben, vermutlich hat es recht weit spritzen können. Das Objekt wurde 1710 von Johann Schuckard in einem Inventar erfasst, als: "Eine Modell einer Wasserspritzen, in einem mit oelfarb angestrichenen höltzernen Kästlein 13 Zoll lang 4 ½ breit und 14 Zoll hoch. Die innere Structura ist von Messing, und wird das Werck mit einem rad gedreht." Das Objekt wurde 1754 in einem Verzeichnis (HStAS A 20a Bü 49 Nr. 11) als Bestandsverlust gelistet, ist aber dennoch eindeutig vorhanden. [Frank Lang]
Zwei Butterfässer sind so angeordnet, dass die Butter-Sterl (damit wird die Butter geschlagen) jeweils abwechselnd auf- und niederstoßen. Butter entsteht, wenn kräftige Verwirbelungen im Fass auftreten. Ein Schwungrad sorgt für die Gleichmäßigkeit dieser Bewegung. [Frank Lang]
Interessant an diesem Modell ist zum einen das Rätsel seiner Funktionsbestimmung, die nicht zu klären war. Jedoch zeigt es durch Maßbeschriftungen klar auf, dass es als "Werkplan-Modell" gedacht war. Ein späterer Zimmermann oder Mühlenbauer sollte diese Idee in Betriebsgröße umsetzen. Es sind Maße notiert bspw. "16 Schu[h] lang", die uns ermöglichen, den Maßstab von 1:15 für dieses Modell zu errechnen. Die Funktionsbestimmung ist nicht ganz klar, es ist vorstellbar, dass das Gerät zum Mahlen und Schroten hätte benutzt werden sollen. Im Kunstkammer-Hauptbuch braun wird es unter der Nr. 45 als "Maschine mit Schleifstein od. Mahlstein" gelistet. [Frank Lang]
Bei dieser Sämaschine ist der ganze Sämechanismus kompakt verbaut. Vorschneidemesser ritzen den Boden, hohle Pflugscharen sind an den Saatgutbehälter angeschlossen und werfen das Saatgut direkt in die Furche, die sogleich von den nachgeordneten Aussaatscharen wieder mit Erde überworfen werden. Im Kunstkammer-Hauptbuch braun wird es unter der Nr. 44 als "Pflug mit Sävorrichtung" gelistet. [Frank Lang]
Modell eines Beetpfluges mit Vorschneidemesser (Sech). Die Konstruktion wird Vierseitpflug genannt, weil Pflugbaum, Sterz, Sohle und Pflugsäule ein statisches Viereck bilden. Zwei Sterzen dienen als Handhaben. Im Kunstkammer-Hauptbuch braun wird es unter der Nr. 43 als "Pflug" gelistet. [Frank Lang]
Dieser Pflug ist ein Beispiel nicht-wendender Bodenbearbeitung. Der Boden wird ausgehoben und beiderseits gehäufelt. Sie sind vor allem aus Trockenregionen mit ariden Böden in der Anwendung. Im Kunstkammer-Hauptbuch braun wird es unter der Nr. 42 als "Pflug" gelistet. [Frank Lang]
Möglicherweise fehlen hier wichtige Teile. Grundsätzlich ähnelt dieses Modell dem Inv. Nr. KK braun 31 und könnte so als Aussaatpflug, der zum Einarbeiten des Saatguts in die Erde diente, gesehen werden. Es gibt jedoch keine Hinweise auf eine Einrichtung zur Tiefenbegrenzung für die Pflugscharen, so dass auch eine Nutzung als Bodenlockerungsgerät in Frage kommt. Im Kunstkammer-Hauptbuch braun wird es unter der Nr. 41 als "Pflug" gelistet. [Frank Lang]
Bei diesem Modell ist statt eines Vorschneidemessers das Streichbrett an der Vorderkante mit Eisen beschlagen. Es erfüllt also doppelte Funktion: Anschneiden der Furche und Umlegen der Scholle. Im Kunstkammer-Hauptbuch braun wird es unter der Nr. 40 als "Pflug" gelistet. [Frank Lang]
Dieses Modell ist leider in seiner ganzen Komplexität des Sämechanismus nicht erhalten. Doch sind klar drei Saatgutkammern erkennbar, die in drei Schächte mit vorgestellten Pflugscharen die Samen entlassen. Es wird also zunächst der Boden aufgeritzt, Saatgut eingestreut und schließlich mit dem nachgezogenen Vierscharpflug die Furchen wieder mit Erde abgedeckt. Im Kunstkammer-Hauptbuch braun wird er unter der Nr. 39 als "Pflug mit Sävorrichtung" gelistet. [Frank Lang]
Beetpflug mit Vorschneidemesser und einem Sterzen als Handhabe. Solche Pflüge wurden im 19. Jahrhundert aus Flandern als Vorbilder importiert. Erst als die Pflugbauer sie mit zwei Sterzen versahen und damit den württembergischen Gewohnheiten entgegen kamen, konnten sie sich als moderne, effektivere Geräte durchsetzen. Im Kunstkammer-Hauptbuch braun wird er unter der Nr. 38 als "Pflug mit Sävorrichtung" gelistet. [Frank Lang]
Erhalten ist von diesem Objekt nur noch ein Fragment: die angehängte vierscharige Pflügevorrichtung zum überdecken der Aussaat mit Erde. Eine Vorstellung von der Sämaschine bietet Modell Inv. Nr. KK braun 39. Im Kunstkammer-Hauptbuch braun wird es unter der Nr. 37 als "Pflug mit Sävorrichtung" gelistet. [Frank Lang]
Beim Wendepflug kann die Kipprichtung der Ackerscholle nach rechts oder links verstellt werden. Das ermöglicht eine andere Vorgehensweise bei der Beetbereitung. Mit einem solchen Pflug kann Furche neben Furche gezogen werden, am Ende des Ackers wird gewendet und der Pflug umgestellt. Im Kunstkammer-Hauptbuch braun wird das Objekt unter der Nr. 35 als "Pflug" gelistet. [Frank Lang]
Der Beetpflug kippt die aufgerissenen Erdschollen nach rechts. Das Vorschneidemesser (Sech) ist hierbei wichtig, denn es schneidet die Abrisskante vor, mit der die Furche gebildet wird. Je schwerer die Böden, um so wichtiger wird diese Funktion. Im Kunstkammer-Hauptbuch braun wird er unter der Nr. 34 als "Pflug" gelistet. [Frank Lang]
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